II/15: Gestein des Jahres 2015: Gneis - Gestein mit vielen Gesichtern
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Gneis wurde zum Gestein des Jahres 2015 gekürt. Aber, gibt es den Gneis überhaupt? Gneise sind metamorphe Gesteine mit einer ausgeprägten Paralleltextur, die mehr als 20 % Feldspäte enthalten. Das ist eigentlich eine klare Definition. Doch in Zusammenhang mit dem Gneis sind selbst unter Geologen immer wieder Sprüche zu hören wie: “Ein Fall für Sherlock Holmes“ oder „Was ich nicht weiß, ist Gneis“ und wenn wir uns die Bilder von Gneisen aus der BGR-Sammlung anschauen, ahnt man, warum.
Grundsätzlich werden Ortho- und Paragneise unterschieden. Orthogneise sind aus magmatischen Gesteinen, häufig Granite, entstanden Aus Sedimentgesteinen wie Sandsteinen, Grauwacken oder Tonsteinen wurden durch eine intensive Metamorphose Paragneise. Das ursprüngliche Gestein musste durch geologische Prozesse tief in die Erde hinein, durch hohe Druck- und Temperaturen umgewandelt und anschließend wieder an die Oberfläche befördert worden sein. Deshalb sind es Gneise, die zu den ältesten Gesteinen unseres Planeten zählen; wie z.B. die Acasta Gneise in Kanada mit 4 Milliarden Jahren. Als nordische Geschiebe, die durch die quartären Eiszeiten nach Norddeutschland verfrachtet wurden, gehören sie auch zu den jüngsten, denn sie befinden sich teilweise seit weniger als 1 Million Jahren an ihrem heutigen Standort.
Gneise sind „Weltenbummler“, exemplarisch stellen wir hier deshalb zwei Gneise aus der BGR-Sammlung vor – einen aus der Ferne und einen aus der Nähe:
Biotitgneis des "Wilson Metamorphic Complex" der Antarktis
Fundort: kleiner Nunatak ca. 4 km SW der ehemaligen sowjetischen Station Leningradskaya, nahe der Pazifik-Küste im nördlichsten Victorialand der Antarktis. Koordinaten (ca.): 69°31'46"S; 159°20'12"E, Geol. Kartenblatt: Suvorov Glacier (1 : 250 000)
legato: Prof. Georg Kleinschmidt (Frankfurt) während der GANOVEX V-Expedition der BGR im antarktischen Sommer 1988/89
Dieser Biotitgneis ist ein mittel- bis hochgradig metamorpher Paragneis mit dunklen, biotitreichen Lagen und weißen, z.T. gefalteten Lagen aus Feldspat. Darin hat sich vereinzelt Granat (rot) neu gebildet.
Die ehemaligen Sedimente dieses metamorphen Komplexes wurden vermutlich im späten Neoproterozoikum bis frühes Kambrium(ca. 600 bis 520 Millionen Jahre) am Paläo-Pazifikrand des Ostantarktisch-Australischen Kontinents abgelagert. Dieser Kontinent war nach dem Zerfall des Superkontinents Rodinia (vor ca. 750 Millionen Jahren) entstanden. Vor rund 550 Millionen Jahren begann die Subduktion (Abtauchen) der ozeanischen Kruste des Paläo-Pazifiks unter den Ostantarktischen Kontinent. Dieser Prozess führte zu einer Gebirgsbildung am Rande des Ostantarktischen Kontinents, der Ross-Orogenese, die ihren Höhepunkt um 500 Millionen Jahre erreichte und mit der Entstehung eines magmatischen Bogens (Platznahme von Graniten und aktiver Vulkanismus), Kompression, Metamorphose und Faltung verbunden war. Ein ähnlicher Prozess ist heute von den Anden bekannt. Während der Ross-Orogenese gerieten die Sedimente unter hohe Druck- und Temperaturbedingungen (ca. 4 bis 5 Kilobar und ca. 700 °C) und wurden in Gneise umgewandelt. Diese Gneise bestehen aus den Mineralen Quarz, Plagioklas, Biotit und zusätzlich können Granat, Sillimanit, Cordierit und Kalifeldspat vorhanden sein.
Nach der Gebirgsbildung wurde das Ross-Orogen teilweise abgetragen und von mesozoischen Sedimenten und Basalten überdeckt. Heute findet man Reste des alten Ross-Orogens im Transantarktischen Gebirge, dessen Heraushebung im frühen Känozoikum begann, meist nur in Form kleiner aus dem Gletscher herausragender Klippen (Nunatak).
Quellen:
ROLAND et al. (1996): Geological map of the Suvorov Glacier Quadrangle, Victoria Land, Antarctica, 1 : 250 000. - GIGAMAP Series, Hannover (BGR).
SCHÜSSLER et al. (1999): P-T-t evolution of the Wilson Terrane metamorphic basement at Oates Coast, Antarctica. - Precambrian Research, 93: 235–258.
Text: Solveig Estrada
Eckergneis aus dem Westharz
Fundort: Kleiner Gierskopf bei Bad Harzburg im Harz
legato: Karl August Lossen 1890
Der Eckergneis bildet eine 7 Quadratkilometer große Scholle im Westharz. Ausgangsgesteine waren Tonsteine und Sandsteine, die auf dem damaligen Kontinent Baltica im obersten Neoproterozoikum (ca. 570 bis 550 Millionen Jahre) abgelagert wurden und mehreren Metamorphosezyklen unterworfen waren: Zunächst einer amphibolitfaziellen Dynamometamorphose, die von intensiver duktiler (plastischen) Verformung begleitet wurde; anschließend erfuhr der Eckergneis eine Aufheizung, die zu einer statischen Umkristallisation unter granulitfaziellen Bedingungen führte. In seine heutige Position, d. h. in unmittelbare Nachbarschaft zu kaum metamorphen Sedimentgesteinen gleichen Alters, gelangte der Eckergneis wahrscheinlich durch Deckentransport bei der variszischen Orogenese.
Das hier ausgewählte Handstück gibt makroskopisch wenig Auskunft über seine Zusammensetzung und Petrogenese. Beides wird erst im Dünnschliff sichtbar: viele Feldspäte (grau gestreift), Quarz (grau), Orthopyroxene (bunt), Cordierit, Biotit, Orthopyroxen-Porphyroblasten. Die exakte petrographische Ansprache für diese Gneis-Varietät lautet: Cordierit-Pyroxen-Granoblastit.
Quelle: BGR
Interessant bei diesem Handstück ist auch der Finder. Karl August Lossen war von 1873 bis zu seinem Tode 1893 als Königlicher Landesgeologe an der Preußischen Geologischen Landesanstalt (PGLA) tätig. Seit 1866 befasste er sich mit dem geologischen Aufbau des Harzes und legte die erste geologische ("geognostische") Übersichtskarte des Harzes im Maßstab 1:100 000; sie wurde 1877 erstmals gedruckt. Er gilt damit als Vater der Harzgeologie. In den Sammlungen der PGLA (heute Teil der BGR-Sammlungen) hinterließ er mehr als 700 Belegproben, davon allein 270 Eckergneise.
Quelle:
MARTIN-GOMBOJAV, N. (2003): Petrographie und Petrogenese des Eckergneis-Komplexes, Harz.- Diss. Fachbereich Geowissenschaften, Universität Hamburg; Hamburg.
HAVE A GNEISS DAY!
Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
Zum Katalog der Sammlungsobjekte
Kontakt