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IV/15: Spuren unter dem ewigen Eis

Das Sammlungsobjekt des Quartals

Spurenfossilien (Ichnofossilien) sind in Sedimenten erhaltene biogene Strukturen, die durch die Lebenstätigkeit von Organismen erzeugt wurden. Sie geben somit Auskunft über die Morphologie und das spezifische Verhalten ihrer Erzeuger und erlauben zudem Rückschlüsse auf die Beschaffenheit ihres fossilen Lebensraumes. Spurenfossilien sind daher in ihrem jeweiligen stratigraphischen und lithologischen Kontext wertvolle paläontologische Belege sowie nützliche paläoökologische Indikatoren.

Die beiden hier vorgestellten Exemplare sind Teil einer Belegsammlung aus dem südlichen Coats Land (Shackleton Range, Antarktika) und wurden im Verlauf einer internationalen Expedition (EUROSHACK) in dieses Gebiet im Süd-Sommer 1994-95 geborgen.

Fossilmaterial aus derart entlegenen Gebieten der Erde bildet eine wertvolle und kaum mehr reproduzierbare Grundlage für weitere Untersuchungen.

Die insgesamt individuenreiche Spurenfossil-Fauna der Shackleton Range, einem Gebirgsstock von etwa 200 km Ost-West-Ausdehnung, der auf etwa 80° südlicher Breite in knapp 2000 Höhenmetern nur einige hundert Meter aus dem Inlandeis ragt (1), gehört stratigraphisch sehr wahrscheinlich in das basale Ordovizium (ungefähr 485 Millionen Jahre vor heute). Die Spuren verschiedener fossiler am (sowie auch im) Meeresboden lebender Schelfmeerbewohner kommen in einer rötlich-grünlich gefärbten Abfolge aus derben, teils quarzitischen Sandsteinen und Tonsteinen vor. Diese Gesteine der Blaiklock Glacier Group zeigen zumindest lithologisch deutliche Ähnlichkeiten mit etwa zeitgleich abgelagerten Sandsteinen in der basalen Tafelberg-Gruppe des südlichen Kaplandes in Südafrika. Tatsächlich gehörten die ursprünglichen Ablagerungsräume der Blaiklock Glacier Group und der Tafelberg-Gruppe plattentektonisch während des Ordoviziums benachbarten Schelfgebieten im Bereich eines vermutlich intrakontinentalen Beckens an (2).

Flüsse brachten in teils riesigen Delta-Strukturen im Verlauf von Jahrmillionen große Sedimentmengen aus den östlich angrenzenden Hochländern in dieses Becken. Strömungen und Gezeiten arbeiteten die Sedimente zusätzlich auf. Strömungsmarken und Trockenrisse deuten lokal extrem niedrige Wassertiefe und gelegentliche ephemere (kurzzeitige) Austrocknungsphasen an. Dieses recht energiereiche und durch relativ hohe Sedimentschüttungsraten beeinflusste Habitat bot wohl nur einer sehr spezifischen und speziell angepassten Fauna entsprechenden Lebensraum, die dort allerdings weitgehend konkurrenzlos existierte. Die Häufigkeit und Dichte der Spuren deutet jedenfalls auf relativ hohe Individuenzahlen ihrer Erzeuger, das heißt auf eine zwar relativ artenarme, aber individuenreiche Fauna hin. Typische Körperfossilien des unteren Ordoviziums, insbesondere die Exoskelette („Panzer“) von Trilobiten sowie von Brachiopoden und Mollusken wurden mit Ausnahme von Abdrücken großer Gliederfüßer (3), die vermutlich den höheren Krebsen (Malacostraca: Phyllocarida?) zuzuordnen sind, in diesem Ablagerungsmilieu nicht erhalten, beziehungsweise waren derartige Organismen dort nicht verbreitet.

Man verwendet bei der wissenschaftlichen Beschreibung von Spurenfossilien (wie in allen anderen Biowissenschaften) eine auf der Grundlage von bestimmten Merkmalen begründete Taxonomie aus Gattungs- und Artnamen (binäre Nomenklatur). Da es sich jedoch nicht um tatsächlich morphologisch bestimmbare fossile Taxa handelt, spricht man in der Paläoichnologie von einer Para-Taxonomie.

Die beiden abgebildeten Spurenfossilien wurden von Gliederfüßern (Arthropoden) erzeugt, zu denen u.a. alle Krebse und die Spinnentiere zu rechnen sind. Eine Zuordnung der Spuren zu einer der bezeichneten Arthropoden-Gruppen - oder gar zu einem ganz bestimmten Spurenerzeuger - ist allerdings nicht möglich. In der Regel schließen sich die Erhaltung von Spurenfossilien und Körperfossilien in einem einzigen Ablagerungsmilieu weitgehend aus.

Merostomichnites strandiMerostomichnites strandi Quelle: Dr. Bernd Weber, Potsdam

Die Spuren werden der Ichno-Gattung Merostomichnites zugeordnet, was auf mögliche Erzeuger aus der Klasse der Merostomata verweist, zu denen u.a. die fossilen und rezenten Pfeilschwanzkrebse zählen. Das Foto (a) zeigt ein Exemplar der im Altpaläozoikum weltweit verbreiteten Ichnospezies Merostomichnites strandi. Diese Spur besteht (morphologisch entsprechend der paarigen Anordnung der gegliederten Schreitbeine bei Arthropoden) aus zwei Reihen von meist spindelförmig verdickten, an Reiskörner erinnernde Eindrücke im Sediment. Diese sind in den meisten Fällen als so genanntes Hyporelief, das heißt als natürlicher Sandsteinausguss der ursprünglichen Vertiefung im tonigen Sediment erhalten. Da die weicheren tonigen Sedimente leichter verwittern, bleiben meist nur die härteren Sandsteinflächen mit den erhabenen Hyporeliefs erhalten. Die spindelförmigen Extremitätenabdrücke weisen oft noch eine deutliche transversale Gliederung auf, die im Foto deutlich erkennbar ist (Pfeil).

Bei der Bearbeitung der Ichnofauna fiel eine kleinere Population von Merostomichnites-Spuren mit deutlich schmaleren, leicht geschwungenen und insgesamt filigran erscheinenden Schreitbein-Abdrücken auf (Foto b). Die wesentlich feineren und enger stehenden Schreitbeinabdrücke weisen neben einigen weiteren Besonderheiten jedoch eine ähnliche transversale Gliederung wie bei M. strandi auf (Pfeil). Dieser Merkmalskomplex ist bisher bei keiner anderen Arthropodenspur des Paläozoikums beobachtet worden. Die Form wurde daher als neue Ichnospezies Merostomichnites gracilis isp. nov. beschrieben (4: Weber & Braddy, 2003). Das hier abgebildete und für die Diagnose verwendete Typus-Exemplar trägt daher den roten Punkt zur internationalen Kennzeichnung des Holotypus-Exemplares (4).

Als möglicher Erzeuger zumindest einiger der Arthropoden-Spuren in der Blaiklock Glacier Group kommen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die oben bezeichneten. und bisher noch nicht detailliert beschriebenen zweiklappigen Krebse (Phyllocarida?) in Frage. Vor mehr als 480 Jahrmillionen wurden ihre Spuren im schlammigen Grund eines fast eingetrockneten Gezeitentümpels von der nachfolgenden Flut mit Schlamm überdeckt und später mit mächtigen Sandschüttungen versiegelt.

Das gesamte in Deutschland befindliche Fossilmaterial aus der Blaiklock Glacier Group (bestehend aus den Aufsammlungen von B. Weber sowie auch von W. Buggisch: EUROSHACK Expedition (BGR): 1994-95) ist seit 2015 in den Sammlungen der BGR in Berlin-Spandau hinterlegt und dokumentiert. Weiteres Material befindet sich in den wissenschaftlichen Sammlungen des British Antarctic Survey in Cambridge, UK und ist zum Teil online zugänglich.

Zitierte Literatur:

(1) Weber, B. (2003). Unter dem Eis Gondwanas – Fossilfunde und paläontologische Forschung in Antarktika. Teil 1: Präkambrische und unterkambrische Fossilien aus der Frühzeit Gondwanas. Aufschluss 54, (2003), 11 – 28.

(2) Buggisch,. W., Kleinschmidt, G., Höhndorf, A., Pohl, J. (1994). Stratigraphy and Facies of Sediments and Low-Grade Metasediments in the Shackleton Range, Antarctica. Polarforschung 63 (1) 9 – 31.

(3) Thomson, M. R. A. and Weber, B. (1999). Discovery of an Ordovician invertebrate fauna in the Blaiklock Glacier Group, Shackleton Range, Antarctica. Terra Antartica 1999, 6 (3), 241 – 248.

(4) Weber, B. and Braddy, S. (2004). A marginal marine ichnofauna from the Blaiklock Glacier Group (?Lower Ordovician) of the Shackleton Range, Antarctica. Transactions of the Royal Society of Edinburgh: Earth Sciences, 94, 1 – 20. 2004.

Text- und Bildautor:

Dr. Bernd Weber
Institut für Erd- und Umweltwissenschaften
der Universität Potsdam
Karl-Liebknecht-Str. 24-25
14476 Potsdam-Golm

Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.

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Kontakt

    
Dr. Angela Ehling
Tel.: +49-(0)30-36993-412

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