IV/18: Pflanzlich oder tierisch? Alles eine Frage der Interpretation
Das Sammlungsobjekt des Quartals
Palaeoxyris (Brongniart 1828): Pflanze -> Palaeobromelia jugleri (von Ettingshausen 1852): Pflanze -> Palaeoxyris jugleri (Crookall 1932): Eikapseln -> Spirangium jugleri (Michael 1936) = Eikapseln von Elasmobranchiern
Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt Herr von Ettingshausen eine Suite fossiler Abdrücke aus dem Tonstein des norddeutschen Wealden vom Oberbergrat Jugler aus Hannover. Aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit „mit dem von Brongniart (1828) aufgestellten Geschlechte Palaeoxyris – eine Pflanze mit zapfen- oder spindelförmigen Fruchtständen“ – zählte er diese dazu. Eigene Betrachtungen und insbesondere die quirlig angeordneten „Einzelspindeln“ veranlassten ihn, „ein selbstständiges Geschlecht … Palaeobromelia“ zu benennen und den Finder Jugler in Form des Artnamens zu verewigen, daher Palaeobromelia jugleri (von Ettingshausen 1852).
Spätere Bearbeiter kamen durch das Fehlen anderer Organe pflanzlichen Charakters und keinerlei Reste von kohliger Substanz zu dem Schluss, dass es sich um Abdrücke tierischem Ursprungs handeln müsste. Crookall (1932) interpretierte diese Gebilde als Eikapseln von Elasmobranchiern – das sind Plattenkiemer, eine Teilklasse der Knorpelfische, zu denen auch die Haie gehören. Er verwendete wieder den ursprünglichen Namen Palaeoxyris.
Eikapseln von Knorpelfischen sind recht häufig in den strandnahen Süßwasser-Ablagerungen des Wealden (Unterkreide, circa 145 - 135 Millionen Jahre vor heute) bei Hannover und in Süd-England. Während in anderen stratigraphischen Horizonten die Eikapseln immer solitär auftreten, sind im ‚Wealden-Kapsel-Typ‘ mehrere Kapseln quirlig angeordnet, also Spiralkapseln, was zu der Bezeichnung Spirangium führte (Michael 1936). Dieser Name wird auch heute noch speziell für den ‚Wealden-Kapsel-Typ‘ verwendet. Fischer & Reich (2013) interpretieren sie als einen speziellen Typ, bei dem mehrere Eikapseln lange im weiblichen Eileiter bleiben und erst kurz vor dem Schlüpfen abgelegt werden.
Das massenhafte Vorkommen dieser ‚Spirangien‘ weist auf einen stetig genutzten Eiablageplatz von Haien mit konischer Zahnform (Hybodontidae) hin, die am Ende der Kreidezeit ausgestorben sind.
In der BGR-Sammlung in Berlin befinden sich weitere 14 Belegstücke mit Spirangium jugleri und Spirangium schimper, zumeist Belege von Michael (1936).
Übrigens: Die meisten Haie sind lebendgebärend, aber einige Hai-Arten legen auch heute noch Eier in einer dicken Schutzhülle ab; darin entwickeln sich die Embryos. Derartige pergamentartige Hüllen findet man manchmal am Strand.
Literatur
Brongniart, A. (1828): Prodrome d'une Histoire des Végétaux fossiles.
Crookall, R. (1932): The nature and affinities of Palaeoxyris, etc. Summary of progress of the Geological Survey of Great Britain and the Museum of Practical Geology for 1931, part II: 122–140.
Fischer, J. & Reich, M. (2013): On the Early Cretaceous chondrichthyan egg capsule Palaeoxyris jugleri (von Ettingshausen) also known as Spirangium. In: Schwarz, C. & Kriwet, J. (editors): 6th International Meeting on Mesozoic Fishes – Diversification and Diversity Patterns, Vienna, Austria August 4th–10th, 2013: 24.
Michael, F. (1936): Paläobotanische und kohlenpetrographische Studien in der nordwestdeutschen Wealdenformation.- Abhandlungen der Preußischen Geologischen Landesanstalt, Neue Folge, Heft 166: 79 S.
Von Ettingshausen, C. (1852): Ueber Palaeobromelia, ein neues fossiles Pflanzengeschlecht. - Abhandlungen der kaiserlich-königlichen geologischen Reichsanstalt, 1 (3): 1–10, Tafel I–II.
Übrigens: Die BGR unterhält Sammlungen in Berlin und Hannover, hier in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Sie gehören zu den großen geowissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland.
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